Video für One Billion Rising
Das Malala Mädchenzentrum hat für One Billion Rising ein Tanzvideo erstellt – Menschen erheben sich am 14. Februar weltweit und sagen NEIN zu Gewalt an Frauen und Mädchen.
Hier könnt ihr das Video anschauen.
Das Malala Mädchenzentrum hat für One Billion Rising ein Tanzvideo erstellt – Menschen erheben sich am 14. Februar weltweit und sagen NEIN zu Gewalt an Frauen und Mädchen.
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Interview mit der Bildungswissenschaftlerin Khulud Sharif-Ali
Am 8. Mai hat das Mädchenhaus Kassel durch die Unterstützung von Stolpersteine in Kassel e.V. einen Stolperstein für Sigrid Goldberg verlegt.
Hierbei wurde auch ein Brief, geschrieben von einer Mitarbeiterin des Mädchenhauses, vorgelesen. Ebenfalls wurde das Gedicht „Wer“ von Rose Ausländer vorgetragen: Auf Deutsch, Arabisch und Farsi.
Liebe Sigrid,
heute wärst du 92 Jahre alt. Wir würden uns wünschen, dass du hier sein könntest, um uns von deinem Leben zu erzählen. Von einem 92-jährigen Leben, dass unter den schlechtesten Voraussetzungen begonnen hatte, aus dem du aber noch etwas hättest machen können. Wir würden uns wünschen, von einem 92-jährigen Leben zu hören, das gefüllt ist mit der gesamten Emotionspalette, mit aller Vielfalt, die ein Leben nur beherbergen kann, mit regnerischen wie sonnigen Zeiten des Lebens. Doch diese Möglichkeit, heute hier vor uns zu stehen, wurde dir genommen, ebenso wie dein Leben dir genommen wurde.
Als du 1928 auf die Welt kamst, waren deine Eltern gerade in die Wohnung im Königstor 12 gezogen, vor der wir heute stehen, um dir gemeinsam eine Stimme zu geben. Wir würden gerne von dir selbst hören, dass du nach sieben Jahren noch einen Bruder, Manfred bekommen hast. Wir würden gerne von dir hören, wie du deine Kindheit empfunden hast und welche besonderen Momente du mit deiner Familie verbindest. Ob deine Tante Clara, die hier von 1933-1936 mit euch gelebt hat, auch eine wichtige Bezugsperson für dich war. Uns würde interessieren, ob du gerne deinen Papa Isaak in seinem Laden in der Wildemannsgasse 22 besucht hast und welche Waren er geführt hat. Vielleicht stand dort ein großes Bonbonglas, aus dem du dir bei jedem Besuch ein buntes Bonbon aussuchen durftest. Wir wissen es nicht und du kannst es uns nicht mehr erzählen, genauso, wie wir nicht wissen, ob du in die jüdische Schule in der Rosenstraße gegangen bist, wie du die Schule fandest und wer deine besten Freundinnen waren.
Wir würden gerne von dir selbst hören, wie du es erlebt hast, als dein Vater 1938 in Schutzhaft genommen wurde und was du empfandest, als sein Laden, eure wirtschaftliche Existenz, bei den Novemberpogromen vernichtet wurde. Was du mit 11 Jahren gedacht hast, als dein Vater 1939 nach England gegangen ist und euch gesagt hat, dass er euch nachholt. Wie ihr als Familie mit den zunehmenden Einschränkungen und Diskriminierungen umgegangen seid, die ihr als Menschen erleben musstet, nur aufgrund eurer Religion. Wie deine Mutter dir erklärt hat, warum du nicht mehr zur Schule oder rausgehen konntest. Warum euer Leben nicht mehr das war, das du kanntest – obwohl niemand aus eurer Familie etwas dafür konnte. Wir würden gerne von dir hören, wer eure Kontakte von 1939-1941 waren. Ob euch sogenannte Stille Helden geholfen haben, unentdeckt zu bleiben – Menschen, die sich gegen den Nationalsozialismus stellten, indem sie Juden halfen, sie versorgten, sie unterstützten. Wir würden gerne wissen, ob es diese Stillen Helden in eurem Leben gab und wenn ja, wie ihre Namen waren, um sie laut auszusprechen.
Uns interessiert, wie deine Mutter dir und deinem Bruder erklärt hat, dass ihr im Februar 1941 in eine Unterkunft mit vielen anderen Juden umziehen musstet und wie ihr dort bis zum 8. Dezember 1941 gelebt habt. Ob du dort trotz der beengten Verhältnisse lachen konntest und Freunde gefunden hast oder ob du traurig warst. Was du gedacht hast, als ihr am 8. Dezember in eine Turnhalle gebracht wurdet und am 9. Dezember nach Riga deportiert wurdet. Wie du es erlebt hast, als deine mutige Mutter sich gemeinsam mit dir zu deinem Bruder Manfred auf die Todesseite stellte, um ihn dort nicht alleine zu lassen und ob du in dem Moment an deinen Vater in England gedacht hast, der verzweifelt alles versucht hatte, um euch dorthin zu holen und es doch nicht schaffen konnte.
Wir würden das alles gerne von dir selbst hören, weil wir uns wünschen würden, dass du noch lebst. Genauso wie wir uns wünschen würden, dass alle anderen Menschen, die im Nationalsozialismus verstorben sind, noch ein Leben hätten haben können. Ein Leben, welches sie selbst hätten bestimmen können. Doch dieser Wunsch wird niemals Realität werden, weil wir die Vergangenheit nicht ungeschehen machen können. Was allerdings in unserer Hand liegt, sind die Gegenwart und die Zukunft. Wir haben die Möglichkeit, die Gesellschaft, in der wir leben, mitzugestalten – diese Möglichkeit wurde deiner Familie genommen. Mehr noch, wir haben die Verantwortung. Wir haben die Verantwortung, uns gegen Diskriminierung von anderen Menschen aufgrund ihrer Individualität zur Wehr zu setzen – und die Möglichkeit, das nicht als Stille Helden, sondern als laute Stimmen zu tun. Wir haben die Verantwortung, Menschen, die gedankenverloren auf dem Weg zur Arbeit oder ins Café durchs Königstor laufen, mit einem Stolperstein auf dich und deine Familie aufmerksam zu machen. Mit Menschen zu sprechen, die den Holocaust überlebt haben. Uns ihre Geschichten anzuhören, auch wenn es wehtut und es bis heute Menschen gibt, die den Holocaust nicht wahrhaben wollen. Aber es ist wichtig, seine Augen und Ohren für die Geschichten und die Menschen dieser Zeit zu öffnen und sich mit ihnen, mit dir, zu beschäftigen. Denn auch wenn Menschen heute nicht mehr in Konzentrationslager geschickt werden, existieren Diskriminierung, Antisemitismus und Rassismus weiterhin und es ist unsere Verantwortung, dagegen aufzustehen und laut zu werden – für dich, für alle Menschen, die im Holocaust gestorben sind, für alle Menschen, die heute benachteiligt werden – und für eine Gesellschaft, in der du mit deinen 92 Jahren heute vor uns hättest stehen können, um uns selbst von deinem Leben zu erzählen.
Schade, dass wir uns nie kennenlernen durften, Sigrid. Wir versprechen dir, für dich laut zu werden und dich nicht zu vergessen.
Mimi für das Mädchenhaus Kassel
Gedicht „Wer“ von Rose Ausländer auf Arabisch:
من روزا الأجنبيه
من سيتذكرني عندما أذهب
ليست العصافير التي أطعمها ، التي تغرد أمام نافذتي
وليست الحديقة الشمالية
وليست جارتي الخضراء
سيحزن أصدقائي لمدة ساعة وينسونني سترتاح جسدي تحت الأرض „سيغيرونني وينسوني“
لن ننساكي راوزا“
1. Mädchenhaus Kassel 1992 e.V.
Annastr. 9
34119 Kassel
0561-71785
Die pädagogische Arbeit richtet sich nach dem Anpassungskonzept für stadtteilbezogene Kinder- und Jugendförderung. Sie orientiert sich an einem feministischen, rassismuskritischen sowie kultursensiblen Ansatz und legt den Schwerpunkt auf Beteiligungsprozesse.
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